PM vom 13. Dezember 2019: Kein frohes Fest - die Wut kommt, die Haltung geht

Wir schließen das Jahr 2019 bewusst nicht mit einer Pressemitteilung, sondern mit einem Statement. Mehr als ein Jahr, nachdem am 03. Dezember 2018 in Dresden damit begonnen wurde, die Abschiebehaft zu vollziehen, müssen wir mitteilen: wir sind wütend.

Vor einigen Tagen erreichte ein Mitglied der Abschiebehaftkontaktgruppe ein Anruf aus der Türkei. Am anderen Ende war ein kurdischer Mensch, der soeben abgeschoben wurde. Er befand sich auf dem Zielflughafen. Das Mitglied wusste da bereits seit einigen Stunden, dass die Abschiebung lief. Folgender Dialog entspann sich:

Abgeschobener Mensch: "Draußen steht die türkische Polizei, ich werde gleich verhaftet."

Mitglied: "Wirklich? Die türkische Polizei?"

Abgeschobener Mensch: "Ja."

Mitglied: "Ich hab keine Ahnung, was ich jetzt noch für Sie tun kann."

Nach fünf Minuten Gespräch brach die Verbindung ab. Wir haben dann doch ein wenig getan. Die Frage ist, ob es etwas gebracht hat. Wir wissen es nicht und werden es wohl nie erfahren. Sein Asylfolgeantrag wurde im Handumdrehen abgelehnt, das war eine Farce. Ein Mensch mit echt harten Fluchtgründen kann in Deutschland nicht mehr sein Recht auf Schutz geltend machen. Das ist ein Fakt.

Seit Anfang November befindet sich ein 18-jähriger Mensch syrischer Staatsbürgerschaft in der Dresdner Abschiebehaft. Eigentlich ist er ein Kind.  Nach Rumänien soll er abgeschoben werden. Da hat er keine Verwandten, in Deutschland schon. Ihm droht Obdachlosigkeit, Anspruch auf finanzielle Leistungen wird er möglicherweise nicht haben. Er sitzt vor unseren Mitgliedern, er lässt die Schultern hängen. Neugierig verfolgt er, wenn wir unsere Akten aufschlagen. Dann beugt er sich über den Tisch und er lächelt. Plötzlich macht eine*r der Beamt*innen ein Geräusch vor der Tür und sofort verfällt er wieder in Lethargie, die Schultern fallen wieder. Er sagt uns: "Ich bin da oben ganz allein. Weil ich der einzige Araber bin." Hintergrund ist, dass die Landesdirektion die Menschen getrennt nach Staatsangehörigkeit in den verschiedenen Trakten des Gefängnisses inhaftiert. Sein Asylfolgeantrag ist derzeit beim BAMF anhängig.

Wir sind wütend. Wir gehen in den Knast hinein und müssen da Haltung bewahren. Freundlich zu den privaten Securities, freundlich zu den Beamt*innen der Landesdirektion, professionell und gleichzeitig aufmunternd gegenüber unseren Klient*innen. Im vollen Bewusstsein, dass wir mit dem, was wir tun, die einzig wirkliche Rechtsberatung sind, die die Menschen da drin tatsächlich erreichen können. Und dass wir damit der Leitung der Landesdirektion als Feigenblatt dienen. Sie kann behaupten, da gibt es unabhängige Rechtsberatung. Die Landesdirektion, die sich nicht einmal die Mühe macht, sich mit dem Deutschen Anwaltverein und dem Republikanischen Anwaltverein hinzusetzen und zu besprechen, wie das denn laufen und vor allem finanziert werden kann, dass Menschen auch in Abschiebehaft ihre Rechte wahrnehmen können. Wir würden sogar gern an dem Gespräch teilnehmen, denn die Anwält*innen würden wahrscheinlich ganz praktisch vorschlagen, dass wir vorsondieren und sie dann Fälle übernehmen. Wir gehen raus aus diesem Gefängnis, mit einer Liste, die typischerweise von "Akteneinsicht nehmen" über "Ins Landgericht fahren" und "Lage in Rumänien checken" hin zu "Angehörige informieren" reicht. Und dann, wenn diese Liste abgearbeitet ist, dann kommt die Wut und die Haltung geht. Wir sind wütend. Wütende Bürger*innen. Genau das. Und es wäre regelrecht zuvorkommend von den Verantwortlichen, insbesondere bei der Landesdirektion, uns ernst zu nehmen. Dass wir endlich mal eine Sprechzeit bekommen, würde uns, eine ehrenamtliche Gruppe, super entlasten. Wir müssen uns nämlich neben unserer Arbeit irgendwie organisiert bekommen und es ist nun mal eine kleine Herausforderung, sich um ein geschlossenes System wie einen Knast zu organisieren.

Unsere Tätigkeit lässt uns an vielem zweifeln. Einer unserer Klient*innen hat uns gesagt: "Ich hab's verstanden, Deutschland will mich nicht." Unsere Antwort hätte lauten können: "Ja. Und noch vor drei Jahren hättest du mit dieser Geschichte den Flüchtlingsstatus erhalten." Mögen sich alle Innenminister der Republik zum Ende des Jahres zufrieden zurücklehnen und sich auf die Schulter klopfen, dass bei dieser Person die Botschaft angekommen ist. Frohes Fest? Wenigstens denen, die für all das verantwortlich sind, wünschen wir 'nen richtig verbrannten Entenbraten. Möge es wenigstens ein wenig Gerechtigkeit auf dieser Welt geben.

Kontakt
Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
Toni Kreischen
Mail: kontakt@abschiebehaftkontaktgruppe.de
www.abschiebehaftkontaktgruppe.de