Nicht nur einmal – Suizidversuche in der Abschiebehaft in Dresden

Innerhalb kürzester Zeit kommt es zu drei Suizidversuchen in Abschiebehaft

Abschiebehaft macht krank. Nicht nur physisch, sondern vor allem auch psychisch. Die Inhaftierten befinden sich in einer Ausnahmesituation: Selbstverletzungen kommen regelmäßig vor. Und schlimmer: Im Jahr 2020 gab es bereits drei Suizidversuche in der Abschiebehafteinrichtung Dresden. Eine adäquate medizinische und psychologische Betreuung erfahren die Betroffenen nicht – Maßnahmen sind Isolation und Überwachung.

 

 

09. Februar 2020 – Beratung in der Abschiebehafteinrichtung Dresden: Mitglieder der Abschiebehaftkontaktgruppe warten auf die Zuführung des Untergebrachten, den sie an diesem Tag sprechen möchten. Es dauert ungewöhnlich lange. Als Admir O. (Name geändert) hereinkommt, zittert er und ist sichtlich mitgenommen: „Hier passiert so viel“, sagt er. Er berichtet, wie er gerade die Erstversorgung eines Inhaftierten unterstützt hat, der sich in suizidaler Absicht selbst verletzt hat.

 

 

Nur eine Woche vorher, am 01. Februar, hat er einen anderen Untergebrachten in dessen Zelle gefunden, als dieser versuchte, sich zu ersticken. Admir O. verhinderte Schlimmeres und holte umgehend Hilfe. Der Abschiebehaftkontaktgruppe liegt ein Teil der Haftakte dieses Untergebrachten vor, in der von „schubweise anfallenden Selbstverletzungsgedanken“ und angegebenen Suizidgedanken an den vorhergehenden Tagen die Rede ist.

 

 

In der Haft darf nichts passieren

 

 

Die beschriebenen Ereignisse wurden in Kleinen Anfragen, gestellt durch die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die LINKE), bestätigt (Links siehe unten). In beiden Fällen erfolgte die weitere medizinische und psychologische Versorgung der Untergebrachten innerhalb der Abschiebehafteinrichtung, angeordnet wurde eine vorläufige Unterbringung im besonders gesicherten Unterbringungsraum der Einrichtung. Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe sieht das kritisch: „Die Inhaftierten, die als suizidgefährdet wahrgenommen werden, sich selbst verletzt haben oder einen Suizidversuch unternommen haben, erhalten nicht die medizinische und psychologische Behandlung, die Menschen in so einem Fall brauchen. Stattdessen werden sie engmaschig beobachtet, mitunter nachts sogar halbstündlich geweckt und von anderen Untergebrachten isoliert. Die klare Maßgabe ist: In der Haft darf nichts passieren – was nach der Abschiebung mit den Untergebrachten geschieht, darum geht es nicht.“

 

 

Haftbedingungen geprägt von Isolation, Langeweile und Angst

 

 

Abschiebungshaft macht krank und beeinträchtigt nicht nur die physische, sondern vor allem auch die psychische Gesundheit der Betroffenen. Die Inhaftierten – einige für wenige Tage, andere für viele Monate – erleben Isolation, haben kaum Beschäftigungsmöglichkeiten und sind mit Ängsten und Unsicherheiten konfrontiert, wie ihr Leben weitergehen wird. Ein Inhaftierter schreibt aus der Abschiebehafteinrichtung Dresden: „Ich fühle mich hier in der Abschiebehaft gar nicht gut. Es ist sehr schlimm, weil ich ein Mensch bin. (…) Als ich hierhergekommen bin, bin ich ein anderer Mensch geworden. Ich halte die Menschen draußen für Könige und bin selbst so wie ein Mülleimer.“

 

 

Nach Suizidversuch: Abschiebung

 

 

Am 16. März 2020 gab es einen weiteren, dritten Suizidversuch. Wieder haben Untergebrachte Erste Hilfe geleistet – nach ihrem Empfinden hat es etwa drei Minuten gedauert, bis Beamt*innen der Landesdirektion anwesend waren. Der Betroffene, der sich an den vorherigen Tagen bereits häufiger in die Arme geritzt haben soll, war für längere Zeit weggetreten. Er verblieb in der Haft und sollte nur zwei Tage nach dem Suizidversuch abgeschoben werden – die Abschiebung nach Tunesien scheiterte jedoch am 18. März, nachdem Corona auch in Sachsen angekommen war.

 

 

Von den oben genannten Betroffenen wurde einer nur drei Tage nach dem Suizidversuch abgeschoben. Der andere wurde gestern, am 30. März 2020, entlassen. Der Grund auch hier: die Corona-Pandemie und ihre Folgen für den Luftverkehr. Nicht, weil er sich das Leben nehmen wollte.


 

Anfrage zu Suizidversuchen allgemein:

 

 

 

Anfrage zum Suizidversuch am 01. Februar 2020:

 

 

 

 

Anfrage zum Suizidversuch am 09. Februar 2020:

 

 

 

 

Eine weitere Kleine Anfrage zum Suizidversuch am 16. März wurde eingereicht


Kontakt:

Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
Toni Kreischen
Mail: kontakt@abschiebehaftkontaktgruppe.de
www.abschiebehaftkontaktgruppe.de