PM vom 24. Januar 2019: Ein Monat Abschiebehaft in Sachsen – und der erste Hungerstreik

Fesselung, Bewachung und Zwangsernährung geschehen in der geschlossenen, psychiatrischen Anstalt. Nach nur einem Monat Betrieb offenbart sich folgende, bedenkliche Bilanz. Bayerische und sächsische Behörden tun alles, um einen Vater daran zu hindern, bei seinen Kindern in Deutschland zu bleiben. Dabei schrecken sie auch nicht vor rechtsstaatlich fragwürdigen Maßnahmen zurück. Der Betroffene, Mohamed Al Bedam*, sieht keinen anderen Ausweg, als mittels Hungerstreik gegen seine Inhaftnahme und Abschiebung zu protestieren. Die Sächsische Zeitung berichtete zuerst am 17. Januar und 21. Januar.

Nach der Verhaftung von Mohamed Al Bedam am 11. Januar 2019 besuchen ihn Mitglieder der Abschiebehaftkontaktgruppe. Schon am Sonntag, dem 13. Januar 2019, ist er geschwächt und befindet sich im Hungerstreik. Die Abschiebehaftkontaktgruppe weist die Mitarbeiter*innen in der Haftanstalt darauf hin, dass er gesundheitlich gefährdet ist. Die Reaktion der Landesdirektion, als Anstaltsbetreiberin: Herr Al Bedam wird am 14. Januar ins Krankenhaus Friedrichstadt, in die geschlossene psychiatrische Station verlegt. Dort wird er rund um die Uhr von Mitarbeiter*innen der Landesdirektion bewacht und zusätzlich ans Bett gefesselt, später auch zwangsernährt.

Der hierfür im Vorfeld notwendige richterliche Beschluss wurde zunächst nicht eingeholt. Erst am 17. Januar wird er ausgestellt, drei Tage nachdem er sich ans Bett gefesselt befand. Erst gestern, nach elf Tagen Fesselung, bekommen seine Frau und die Kontaktgruppe den Beschluss zu sehen. "Herr Al Bedam ist der Landesdirektion regelrecht ausgeliefert. Das Abschiebungshaftvollzugsgesetz und das sächsische Gesetz über die Unterbringung bei psychischen Krankheiten scheinen für ihn nicht zu gelten. Herr Al Bedam ist massiv geschwächt, ein kranker Mann, der verzweifelt alles versucht, um in Deutschland bei seiner Familie bleiben zu können. Er wurde in diese fatale Lage gedrängt.", so Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe. 

Wenn Familienbesuche ein Haftgrund sind

Herr Al Bedam ist Vater und Sorgeberechtigter eines deutschen Kindes. Seine Frau aus Nordhausen, Thüringen, erwartet sein zweites Kind von ihm, es liegt eine Risikoschwangerschaft vor. Als Herr Al Bedam beim Standesamt Nordhausen die Vaterschaft vorgeburtlich anerkennen wollte, griffen die thüringischen Behörden zu, nahmen ihn fest und brachten ihn in die Abschiebehaftanstalt in Dresden. Sachsen leistet hier Amtshilfe für den bayerischen Bezirk Oberfranken. Herr Al Bedam hat während seines Aufenthalts in Deutschland seine Frau und sein Kind besucht. Diese Besuche hat die Zentrale Ausländerbehörde der Regierung Oberfranken zum Anlass genommen, einen Antrag auf Abschiebungshaft zu verfassen. Das Amtsgericht Nordhausen kam dem nach und ordnete den Vollzug für Dresden an. Die Vorwürfe der zuständigen Ausländerbehörde sind zumindest für die Frau und zukünftige Mutter nicht nachvollziehbar: "Mein Mann will hier in Deutschland bleiben und hat auch das Recht dazu. Ich kann das alles überhaupt nicht verstehen! Warum soll er jetzt abgeschoben werden, wo er doch bald zum zweiten Mal Vater wird? Familien werden doch geschützt?" Essentiell ist derzeit, dass Herr Al Bedam morgen, am Freitag dem 25. Januar, einen Termin beim Jugendamt Dresden wahrnehmen kann, um Vaterschaft und Sorgerecht anerkennen zu lassen. Ob das klappt - über dieser Frage schweben alle Beteiligten in Unsicherheit. Denn die Landesdirektion meint, sich zunächst in Oberbayern erkundigen zu müssen, ob sie das darf.

Abschiebehaftkontaktgruppe bezweifelt Haftfähigkeit

Derweil besuchen Mitglieder der Abschiebehaftkontaktgruppe Herr Al Bedam mehrmals im Krankenhaus. "Er wird immer schwächer. Er liegt die ganze Zeit im Bett, kann nicht mehr aufstehen, sieht total abgemagert und krank aus, leidet an Schlaflosigkeit Er kann sich nicht konzentrieren, schwer sprechen, kaum noch einen Stift halten. Und dann wird er noch gefesselt? Er kann doch nicht mal laufen. Das ist absurd. Wie ich das sehe: dieser Mann ist weder haft- noch reisefähig. Er kann nicht abgeschoben werden.", berichtet Toni Kreischen.
 In der Zwischenzeit versucht die Abschiebehaftkontaktgruppe gemeinsam mit der Frau und ihrem Anwalt, die Haft aufheben zu lassen, seinen Aufenthalt sichern zu können und den Termin morgen im Jugendamt über die Bühne zu bringen. Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe gibt aber zu bedenken: "Wir arbeiten hier gegen die Zeit.  Sächsische und bayerische Behörden könnten Tatsachen schaffen und Herrn Al Bedam abschieben, seine Gesundheit gefährden und sein Recht auf ein Familienleben hier in Deutschland ignorieren."

*Namen geändert.

Kontakt
Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
Toni Kreischen
Mail: kontakt@abschiebehaftkontaktgruppe.de
www.abschiebehaftkontaktgruppe.de