Die Abschiebemaschinerie wieder im Normalzustand - zur heutigen Abschiebung nach Tunesien

Seit acht Monaten werden wieder regelmäßig Menschen in Abschiebehaft Dresden inhaftiert

Vor einem Jahr stand die Abschiebehaft in Dresden pandemiebedingt leer. Das war von kurzer Dauer. Die ersten Inhaftierungen in der Dresdner Abschiebehaft gab es bereits wieder im August 2020. Mindestens 50 Inhaftierungen sind der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden seitdem bekannt, eins der Hauptherkunftsländer: Tunesien.

 

Auch heute werden voraussichtlich mindestens fünf Menschen aus der Abschiebehafteinrichtung Dresden nach Tunesien abgeschoben. Hinter den Zahlen verbergen sich ganz verschiedene Schicksale. „Im Jahr 2021 haben wir bereits wieder Familientrennungen mitbekommen, es waren Menschen inhaftiert, die dringend medizinische Behandlung benötigen, und nicht wenige zerbrechen an der Zeit in der Abschiebehaft. Die Abschiebemaschinerie, ihrer Haftanstalten inklusive, scheint wieder im Normalzustand angekommen zu sein.“, so Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden.

 

Schreie in der Abschiebehaft

 

Ein eindrückliches Beispiel ist Ahmad F. (Name geändert). Anfang des Jahres befand er sich bereits einige Wochen in Abschiebehaft und wurde letztendlich entlassen, da die geplante Abschiebung im Februar abgesagt wurde. Aus dem Bericht einer psychologischen Beratungsstelle geht hervor, dass er sich während und im Anschluss an die Haft zunehmend kränker gefühlt habe. Letzte Woche erfolgte dann seine erneute Inhaftierung, für ihn eine schlimme Retraumatisierung. Mitglieder der Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden durften ihn einen Tag nach seiner Inhaftierung nicht sprechen, berichteten aber, wie sie während der Beratung anderer Inhaftierter über 20 bis 30 min laute, verzweifelte Schreie hörten.

 

Wunsch nach Selbstbestimmung

 

Drei Tage später erhält die Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden Zugang zu Ahmad F. Der Mann berichtet verzweifelt, aber ruhig und sortiert, wie er seit längerer Zeit probiert seine Lebensgefährtin zu heiraten, aber die Papiere aus Tunesien immer wieder ablaufen, da es zu keinem Termin beim Standesamt kommt. In der Haft habe er an den ersten Tagen Misshandlungen erlebt, sechs Menschen, Mitarbeiter*innen der Haftanstalt, die sich beim Versuch ihn zu beruhigen, auf ihn geworfen haben. Seine Wünsche: Er möchte Hofgang (auf den er Anspruch hat), er möchte Kontakt zu anderen Inhaftierten und nicht weiter isoliert sein und er möchte keine Medikamente, mit denen er sich schlechter fühlt als ohne. Gegen die Mitarbeiter*innen der Haftanstalt hat F. Strafanzeige gestellt. 

 

Hinter jeder Abschiebung steht eine persönliche Geschichte

 

Neben Ahmad F. betrifft es weitere Menschen, die sich ihre Perspektive anders vorgestellt haben. Ein Mensch, der demnächst einen Therapieplatz in einer Entzugsklinik für Drogenabhängigkeit hätte antreten können und wollen. Ein anderer schwer gesundheitlich eingeschränkter Mensch, bei dem nach Aussage der behandelnden Ärzt*innen dringende medizinische Behandlung nötig gewesen wären, die er in seinem Heimatland so nicht erhalten wird. Ein Elektroingenieur, der mit einem Arbeitsvisum nach Deutschland gekommen ist und letztendlich vielleicht mehr Zeit benötigt hätte, um Fuß zu fassen. Mehr als 20.000 Menschen werden jährlich aus Deutschland abgeschoben. Hinter jeder Abschiebung steht eine persönliche Geschichte.

 

 

Kontakt
Abschiebehaftkontaktgruppe Dresden
Toni Kreischen
Mail: kontakt@abschiebehaftkontaktgruppe.de
www.abschiebehaftkontaktgruppe.de