Gemeinsame PM mit dem Sächsischen Flüchtlingsrat am 10.07.2025
Afghanistan-Abschiebung um jeden Preis: Auch Betroffene aus Sachsen bereits in Abschiebehaft

Das Bundesinnenministerium arbeitet offenbar mit Hochdruck an einer Sammelabschiebung nach Afghanistan. Drei Männer befinden sich derzeit in der Dresdner Abschiebehaft und sollen bis zum 16. Juli abgeschoben werden. In Zusammenarbeit mit den Taliban werden weitere Flüge geplant, die deren Terrorregime legitimieren.

 

Vergangenen Freitag besuchten wir drei Männer aus Afghanistan in der Abschiebehaftanstalt Dresden. Laut aktuellen Plänen der Behörden sollen sie bis zum 16.07.2025 nach Afghanistan abgeschoben werden. Sie sind nicht allein: In mehreren deutschen Abschiebeeinrichtungen wie Pforzheim, Büren und Ingelheim befinden sich weitere Betroffene, zum Teil seit Monaten in Haft. Dabei ist der Termin für den möglichen Abschiebeflug weiter unklar, welcher angeblich erneut über den „regionalen Schlüsselpartner“ Katar organisiert wird.

Die Organisation scheint aufwendig, die Geheimhaltung hoch. Selbst Gerichte erhalten offenbar keine Informationen zum Ablauf. „Wie sollen sie prüfen, ob die Abschiebung durchführbar ist, wenn sie keine Auskünfte bekommen?“, kritisiert Toni Kreischen von der Abschiebehaftkontaktgruppe.

Abschiebungen nach Afghanistan: Legitimierung des Taliban-Regimes

Laut Gerichtsbeschlüssen soll die Abschiebung zwischen KW 26 und 28 stattfinden – also spätestens diese Woche. Zuständig ist das Bundesinnenministerium unter Minister Dobrindt (CSU), der seit Amtsantritt Rückführungen nach Afghanistan fordert, welche auch explizit im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurden.

Ein Urteil aus Pforzheim vom 23. Juni  zeigt die Probleme: Ein Mann musste nach 6 Monaten Haft freigelassen werden, weil die Bundesregierung die Abschiebung trotz Zusagen nicht rechtzeitig organisierte. Seit Wochen werden neue Termine angekündigt – doch konkrete Informationen fehlen. Am 04.07. äußerte Dobrindt, man wolle künftig direkt mit den Taliban verhandeln. Diese bieten sich an – wohl in der Hoffnung, als Regierung anerkannt zu werden. Bislang hat nur Russland dies getan – will die Bundesregierung diesem Beispiel folgen?

Wen betreffen die Abschiebungen?

Laut Koalitionsvertrag sollen nur Straftäter abgeschoben werden. In Dresden sprachen wir mit drei Männern, die wegen Diebstahl, Drogenverkauf und Körperverletzung verurteilt wurden. Ihre Strafen haben sie verbüßt – nun droht ihnen mit der Abschiebung eine viel härtere „zweite Strafe“. Diese Art von Doppelbestrafung widerspricht dem Grundgesetz (Art. 103 Abs. 3), welches mehrere Strafen zur gleichen Tat verbietet.

Alle drei leben seit über 10 Jahren in Deutschland. Ihre ursprünglichen Asylanträge wurden 2018/2020 abgelehnt – vor der Machtübernahme der Taliban. Sie gehören zum Teil zur verfolgten Minderheit der Hazara und fürchten Verfolgung als Oppositionelle, „verwestlichte“ Rückkehrer oder Taliban-Kritiker. Die Männer haben keine Familie mehr in Afghanistan. 2023 erkannte das OVG Sachsen an, dass alleinstehende junge Männer ohne Netzwerk bei Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein können.

„Aus unserer Sicht verstoßen die Abschiebungen gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Wir haben daher neue Asylanträge gestellt“, so eine Beraterin. Die Abschiebehaftkontaktgruppe unterstützt die Männer juristisch. Der Ausgang ist offen.

Land vor dem Kollaps: Abschiebungen nach Afghanistan stoppen!

Afghanistan ist von Armut, Hunger und Vertreibung gezeichnet. 2024 benötigten laut UN fast 24 Mio. Menschen humanitäre Hilfe. 12 Mio. waren von Ernährungsunsicherheit betroffen, fast 3 Mio. Kinder unterernährt (Amnesty Report 2024/25). Außerdem droht eine weitere humanitäre Katastrophe, da Pakistan und Iran im vergangenen Jahr ca. 1.5 Millionen Menschen wieder nach Afghanistan abgeschoben hat und dies weiterhin tut – trotz der Ernährungskrise im Land, die durch die aktuellen Machthaber eher verschärft wird.

Dave Schmidtke vom Flüchtlingsrat kritisiert: „Wer mit den Taliban verhandelt, stärkt ein Regime, welches Frauen komplett ihre Rechte nimmt und neue Fluchtursachen schafft. Dies sorgt für mehr Chaos in einem Land, welches vor dem Abgrund steht.“ Es braucht daher öffentliche Aufmerksamkeit und Empörung. Abschiebungen in ein Terrorregime machen Deutschland nicht sicherer. Schmidtke warnt: „Wir erinnern uns an die Abschiebungen nach Kabul vor einigen Jahren: Zuerst traf es nur Straftäter, doch am Ende mussten alle abgelehnten Afghan*innen mit einer Abschiebung in den Krieg fürchten.“

 

UPDATE 25.07.2025

Am 18.07.2025 wurden 81 Menschen nach Afghanistan abgeschoben. Die 3 Männer aus der Abschiebehaft Dresden waren nicht mit dabei. Grund waren nicht, wie Innenminister Armin Schuster und die BILD behaupten, fadenscheinige Tricks von uns und den Anwält*innen. Es wurden auch keine sinnlosen Folgeanträge eingereicht, nur um die Abschiebung zu verhindern: Die ersten Asylanträge der 3 Männer wurden vor der Machtübernahme der Taliban abgelehnt. Danach hatten sie keine neuen Anträge gestellt, sei es aus falscher oder fehlender Beratung oder anderen Gründen. Asylanträge nach der Machtergreifung wären sehr wahrscheinlich positiv beschieden worden, wie von vielen tausenden anderen Afghan*innen auch. Die Asylanträge, die nun von Anwält*innen gestellt wurden, hatten diese nicht gestellten Anträge nur in letzter Sekunde nachgeholt. Das Ziel war natürlich, die für die Männer lebensgefährliche Abschiebung zu verhindern! Die Folgeanträge waren rechtmäßig - sie bezogen sich auf eine drastische Änderung (Machtübernahme Taliban) der Lage im Herkunftsland. Es wäre besser gewesen, sie hätten diese Anträge gleich gestellt, aber das ändert nichts daran, dass die Anträge rechtmäßig (zuletzt so vom EuGH bestätigt) und begründet waren! 

Das BAMF lehnt aus unserer Sicht Anträge ab, um schon geplante Abschiebungen zu ermöglichen. Der Innenminister stellt den Sachverhalt falsch dar und verdreht bewusst die Tatsachen, er diskreditiert dabei auch die Arbeit von Fachanwält*innen und unser ehrenamtliches Engagement.

Herr Schuster beschwert sich in dem Beitrag, dass hier rechtsstaatliche Grundsätze eingehalten wurden:

Die Männer waren nicht mehr in Strafhaft, weil sie ihre von Gerichten zugesprochene Strafe bereits verbüßt haben. Sie mussten aufgrund von gerichtlichen Entscheidungen aus der Abschiebehaft rausgelassen werden, weil diese rechtswidrig war. 

Sie waren am Tag der Abschiebung nicht in ihrer Unterkunft, weil es kein Gesetz gibt, dass sie zwingt 24/7 dort zu sein (Gerade nach so einer extrem stressigen Zeit in der Abschiebehaft und Todesangst wegen der anstehenden Abschiebung) brauchten sie vielleicht eine kurze Auszeit bei Freund*innen oder Familie).

Wir orientieren uns an den Rechtsstaat und unterstützen Menschen dabei, ihre Grundrechte wahrzunehmen und ihr Leben zu schützen. Schuster und BILD hetzen.